Einige Hintergrundinformationen / Wissenswertes

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ssstörungen gehören zu den wesentlichen modernen Krankheiten. Besonders Frauen sind davon betroffen. Bis zu fünf Prozent der Mädchen und Frauen zwischen 14 und 35 Jahren leiden an einer dieser Erkrankungen – an einer Magersucht, einer Bulimie oder einer nicht näher bezeichneten Essstörung. Ein noch größerer Teil ist gefährdet, eine solche Störung zu entwickeln. Ca. zwanzig Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 11 und 17 Jahren zeigen auffallendes Essverhalten; bei den Mädchen dieser Altergruppe sind es fast dreißig Prozent (Hölling u. Schlack 2007).

Betrachtet man die Anzahl verlorener Entwicklungsjahre bei psychiatrischen Erkrankungen im Jugend- und jungen Erwachsenenalter, so stehen die Essstörungen an vierter Stelle.
Ursachen für die Essstörungen sind multifaktoriell: Familiäre, soziale und biologische Faktoren sowie die Persönlichkeit und Persönlichkeitsentwicklung spielen eine Rolle. Frauen sind zudem durch den gesellschaftlichen und soziokulturellen Kontext mit seinen vielfältigen Ansprüchen von Essstörungen besonders betroffen.

Erkrankung an einer Essstörung zwischen 14 und 35 Jahren bei Frauen: 5%
Auffallendes Essverhalten zwischen 11 und 17 Jahren: 20%
Auffallendes Essverhalten zwischen 11 und 17 Jahren bei Mädchen: 30%
Anzahl der übergewichtigen Frauen in Deutschland: 33%
Anzahl der übergewichtigen Männer in Deutschland: 50%
Anzahl der adipösen Menschen in Deutschland: 20%
Anzahl der übergewichtigen Kinder (3 bis 17 Jahre) in Deutschland: 15%
Anzahl der adipösen Kinder (3 bis 17 Jahre) in Deutschland: 6%

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in weiteres, größer werdendendes Problem ist eine Essstörung mit „Fressanfällen“ (Binge Eating Störung), die vor allem bei erwachsenen Frauen, aber auch bei Männern auftritt und typischerweise zur Gewichtszunahme führt. Essstörungen haben eine Tendenz zur Chronifizierung mit erheblichen psychischen, körperlichen und sozialen Folgen für die Betroffenen und auch für ihre Angehörigen, zudem mit erheblichen finanziellen Belastungen auch für das Gesundheitswesen, den Rentenversicherungsträger und Arbeitgeber. In jüngster Zeit rückt die Gruppe der Übergewichtigen und Adipösen ins Blickfeld. Die Prävalenz dieser Störungen steigt kontinuierlich sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Erwachsenen. In der Bundesrepublik ist ca. jede dritte weibliche und jeder zweite männliche Erwachsene übergewichtig und jeder fünfte Erwachsene adipös (Deutsche Adipositas-Gesellschaft 2007). Bei den Kindern und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren sind 15 % übergewichtig und ca. 6 % adipös (Kurth u. Schaffrath Rosario 2007). Adipositas und Übergewicht zählen nicht zu den Essstörungen im klinischen Sinne, da sie nicht zwangsläufig mit gestörtem Essverhalten oder seelischen Ursachen verbunden sind. Sie können aber durch eine Essstörung verursacht oder verstärkt werden. In der Praxis müssen auch hier die Beteiligung psychosozialer Faktoren und die psychosozialen Folgen beachtet werden.

Der zunehmenden Zahl von Personen, die eine Essstörung entwickeln bzw. zu den Hochrisiko-Gruppen für diese Störungen gerechnet werden müssen, steht in der Bundesrepublik Deutschland ein unzureichendes beraterisches und psychotherapeutisches Behandlungsangebot gegenüber. Patienten mit Essstörungen gehören zu den psychotherapeutisch am schlechtesten versorgten Patientengruppen (Reich et al. 2005, Zepf et al. 2001). Wegen des besonderen Charakters und des Verlaufs dieser Störungen ist ein abgestuftes System von Beratung, Diagnostik, ambulanter und stationärer Therapie sowie einer entsprechenden Nachsorge in einer Versorgungskette notwendig.